Duisburger Jungenbüro

geschlechterreflektierte Pädagogik mit Jungen* in Duisburg - seit 20 Jahren
 

Mit Bildern gegen Zwangsheirat: Eine Ausstellung, die bewegt

6.11.2018

Am gestrigen Montag Abend eröffnete im Jugendzentrum Zitrone in Duisburg eine Ausstellung unter dem Titel „Mit dem Malstift gegen die geraubte Kindheit“ der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes. Initiiert und organisiert wurde die Ausstellung von den „Grrrls Voice of HeRoes Duisburg“ des Vereins Jungs e.V. zusammen mit den Fachfrauen von Mabilda e.V.

v.l.n.r. Holger Venghaus, Vorstand Jungs e.V. und Mitarbeiter Jugendzentrum Zitrone, Hatice Güler, Mitarbeiterin Mädchenzentrum "Mabilda", Susanne Reitemeier- Lohaus, Projektleitung HeRoes Duisburg und Mitarbeiterin Jugendzentrum Zitrone ©Sven Leimkühler/ Jungs e.V.

Der Saal im Jugendzentrum Zitrone ist wahrlich nicht groß. Wer ihn betritt, sieht sich einer wahren Bilderflut gegenüber, zumal am Premierentag auch noch einem bunten Durcheinander von Menschen. Um kurz nach 18 Uhr eröffneten Hinrich Köppcke, Hatice Güler, Susanne Reitemeier- Lohaus, Holger Venghaus und Selim Asar zusammen mit den Frauen und Mädchen der Grrrls Voice of HeRoes Duisburg die Ausstellung, mit zum Teil sehr bewegenden Worten. Denn das Thema der Ausstellung ist kein leichtes, es geht um Zwangsheiraten und Frühehen in der Türkei. Die Partnerorganisation von Terres des Femmes, YAKA-KOOP veranstaltet jährlich in der türkischen Region Van einen Malwettbewerb unter dem Motto „Kinderbräute NEIN!“. 21 Kunstwerke von jungen Menschen im Alter von 8 bis 16 Jahren gehören zu der Ausstellung, und sie wirken. Sie wirken durch das Wissen, dass hier Künstler*innen am Werk sind, welche aus einer Region der Türkei stammen, in denen 40 % der Mädchen minderjährig verheiratet werden. Sie wirken durch die in den Bildern spürbare Bedrohung. Hier ist Heirat kein romantisches Versprechen, sondern eine Zwangsveranstaltung mit lebenslanger Dauer. Keine Spur von Freiwilligkeit, sondern der düstere Zwang patriachaler Familienstrukturen, welcher junge Mädchen, junge Frauen auch im jungen Erwachsenenalter ereilt und den Frauen den ausgehandelten Partner zuweist. Was das für junge Menschen bedeutet, wird hier in drastischen Bildern gezeigt: Angedeutet ist das Leben vorbei. Es wird deutlich in Bildern, in denen Frauen als Schmuck, als beiläufige Gabe für den Mann gezeigt werden. Ein Bild zeigt ein junges Mädchen mit Puppe und Brautschleier vor dem Bett des Ehemannes, ein anderes ein sich auf dem Boden in der Ecke kauerndes Mädchen im übermächtigen Schatten einer erwachsenen Person, daneben die Hose liegend, oder aber mit Strick um den Hals. Es sind diese Bilder, die verdeutlichen, was Zwangsheirat im minderjährigen Alter für die Mädchen bedeutet. Zum Glück wirkt die freundliche Atmosphäre, die dem Saal im Jugendzentrum innewohnt, den düsteren Aussagen der Bilder ein wenig entgegen, und so konnten die Gäste der bewusst im kleinen Rahmen gehaltenen Feierlichkeit nach der Begrüßung von Herrn Venghaus den einführenden Worten von Hatice „Fatma“ Güler vom Mädchenzentrum Mabilda lauschen und erfuhren, weswegen eine solche Ausstellung auch hier in Deutschland wichtig ist. Sie berichtete von Ihrer Arbeit im Mädchenzentrum im Rahmen der Beratungsstelle gegen Zwangsheirat. Mabilda bietet die Beratung jeden Freitag von 9- 13 Uhr im Mädchenzentrum an, aber auch in Schulen, Kursen, in Vereinen oder in der Moschee. Denn Mädchen, die unter dem Druck der Zwangsverheiratung leben, haben kein Elternhaus, welches es Ihnen erlaubt, entsprechende Beratungen in Anspruch zu nehmen. Und trotzdem schafften es alleine im ersten Halbjahr 2017 über 80 Menschen in die Beratung. Sie erhielten dort Informationen, Unterstützung und wurden an Facheinrichtungen weiter vermittelt. Ähnlich erschreckende Zahlen nannte auch der Leiter des Duisburger Jugendamtes, Hinrich Köppcke, in seinem Grußwort. Über 3000 junge Menschen wenden sich bundesweit jährlich an die Beratungsstellen gegen Zwangsheirat. Das sind aber nur diejenigen, die den Weg in eine Beratung gefunden haben. Zur Verhinderung von Zwangsehen sieht er wie Hatice Güler nur den Weg über die Prophylaxe, über Kinder-, Frauen- und Menschenrechtsbildung, und zwar in Schulen, Jugendeinrichtungen, Moscheen, Vereinen und Integrationskursen.

Hinrich Köppcke, Leiter des Duisburger Jugendamtes © Sven Leimkühler/ Jungs e.V.

Nach den Profis sprachen dann auch die jungen Frauen der „Grrrls Voice of HeRoes duisburg“ in deutlichen Worten, weswegen es Ihnen wichtig war, die Ausstellung hier nach Duisburg zu holen. Sie berichteten von Zwängen in den Familien, die nicht immer direkt sind, sondern sich in Form von Druck zeigen. Wenn junge Frauen überwacht werden, um die Ehre der Familie zu schützen, wenn sich hier ganz unmittelbar ein Druck auf die Jugendlichen aufbaut, sich dem Wille der Familie, der Tradition und Kultur unterzuordnen. Es geht Ihnen darum, laut und Sichtbar gegen diese Verbrechen zu werden, um auch anderen Duisburger*innen den Mut zu machen, für die jungen Menschen Partei zu ergreifen, sensibel zu sein und zu helfen, wenn eine Zwangsheirat droht.

Zum Schluß rahmte Susanne Reitemeier- Lohaus die Veranstaltung mit einer kleinen Dankesrede ab an die Menschen, die unser Engagement überhaupt erst ermöglichen, und da zu allererst der Stadt Duisburg, die es uns seit Anfang des Projektes „HeRoes“ mit Personal, Räumen und Know- How unterstützen, und nun gemeinsam mit dem Land NRW ermöglichen, das Projekt „HeRoes“ bis 2021 finanziell gesichert durchzuführen. Dann den Mitstreiter*innen beim Trägerverein Jungs e.V. und bei Mabilda und selbstverständlich bei der Belegschaft des Jugendzentrums Zitrone und deren Partner*innen in der offenen Jugendhilfe. Diesem Dank schliessen wir uns gerne an.

Grrrls Voice of HeRoes Duisburg © Sven Leimkühler/ Jungs e.V.

Wer die Ausstellung nach Voranmeldung besuchen möchte, diese ist an folgenden Tagen geöffnet:

Öffentliche Termine sind nächste Woche am:
Montag 10.00 - 12.00 Uhr
Dienstag 16.30 - 18.30 Uhr
Mittwoch 16.30 - 18.30 Uhr
im RIZ Regionalzentrum Nord in Marxloh

 
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